Ich war schon erstaunt, als ich Samstagmorgen um halb zehn in das jüngst fertiggestellte Nahezu-Passivhaus meines Freundes Peter trat: Hier sollte gestern Abend eine Party stattgefunden haben? Überall standen Bierflaschen und halb leere Gläser auf den Tischen, aber eines fehlte. Der Gestank. Dies ist ein netter Nebeneffekt der modernen Hausbelüftungsanlage, die vollautomatisch im Hintergrund für einen wohltemperierten und schadstoffgemilderten Luftaustausch sorgt. Doch das komplette Belüftungssystem ist komplex und bedarf regelmäßiger Wartung.
Fensterlüftung ade
Moderne Wohnhäuser und Wohnungen, insbesondere Passivhäuser, sind derart sorgsam abgedichtet, dass ausbleibende Lüftung zu Schimmelbildung und schlechter Atemluft führen würde. Früher gelang einfach immer ein wenig Luft durch feinste Ritzen an Fenstern oder Türen ins Haus, genug, um die Feuchtigkeit in der Luft (durch kochen, atmen, schwitzen, duschen etc.) abzutransportieren. Heutige High-Tech-Fenster- und Türsysteme lassen diesen Luftaustausch nicht mehr zu. Darum wurde eine alternative Frischluftzufuhr notwendig: die kontrollierte Wohnraumlüftung.
Diese Luftaustauschsysteme leisten viel:
- Zumeist entzieht ein Wärmetauscher der abgeführten Luft die kostbare Wärmeenergie und wärmt damit die Zuluft vor. Die Systeme arbeiten so effizient, dass nur ein geringer Teil der Heizenergie verloren geht.
- Auch der Einsatz einer Wärmepumpe ist möglich.
- Im Sommer ist es umgekehrt. Hier wird die zugeführte Luft leicht gekühlt.
- Zu trockene Luft kann angefeuchtet werden. Im Verbund mit dem Punkt zuvor ergibt das im Sommer einen angenehmen Erfrischungseffekt.
- Die Zuluft kann gefiltert werden (über sogenannte Filter-Caps, Hersteller sind z.B. Ventomax, Aerex, Vaillant oder Zehnder). Mit der Folge, dass Feinstaub und Luftpollen nur noch stark gemildert auftreten.
- Die Vermehrung von Hausstaubmilben wird gedämpft.
- Lärmige Straße neben dem Haus? Die Fenster können mit einem Luftaustauschsystem geschlossen bleiben.
Funktionsweise
Doch wo Licht ist, ist auch Schatten. Dazu komme ich unten. Zuvor einige Worte zur Funktionsweise eines Luftaustauschsystems. Prinzipiell unterscheidet man zwischen zentralen Anlagen, die alle Zimmer des Hauses versorgen und einzelnen Luftaustauschern, die z.B. bei problematischen Räumen wie Küche oder Bad zum Einsatz kommen und mit einer direkten Verbindung zur Außenluft verbunden sind. Letzteres ist eher die Light-Variante.
Konzentrieren wir uns auf die zentralen Anlagen. Der Aufbau könnte wie folgt sein:
Bildquelle: http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Passivhaus-Querschnitt.svg
Optimalerweise verfügt jeder Raum über eine eigene Zu- und Abluft.
Nachteile einer zentralen Wohnraumlüftungsanlage
Hier ist vor allem die Anfälligkeit zur mikrobiellen Verkeimung zu nennen. Das System muss peinlich sauber gehalten, Filter regelmäßig ausgetauscht werden. Man hat weiterhin bei einigen Anlagen beobachtet, dass es im Winter zu einer Luftfeuchte von unter 30% (relative Luftfeuchte) kam, was die Schleimhäute austrocknen lässt und so Keimen den Zugang in den Körper erleichtert. Die Anlagenbauer kämpfen mit integrierten Luftbefeuchtern dagegen an. So werden die Systeme immer aufwendiger.
Weiter (potentielle) Nachteile in Kurzform
- Die Anlagen verbrauchen Strom. Bei hoher Luftaustauschrate steigt dieser an.
- Luftaustauschsystem benötigen regelmäßige Wartung der Filter und der Luftleitungen.
- Nicht immer sparen die Anlagen gegenüber der manuellen Fensterlüftung Energie, insbesondere dann nicht, wenn die Luftaustauschrate besonders hoch eingestellt ist.
Fazit: Fortschritt, der noch fortschreitet
Zentrale Wohnraumlüftungsanlagen sind erst seit der Jahrtausendwende flächendeckend im Privatbereich im Einsatz. Entsprechend dünn sind noch die Langzeiterfahrungen. Die Weiterentwicklung besitzt ein dynamisches Tempo. Wir können in Zukunft mit ausgefeilteren Anlagen rechnen, die solarbetrieben sensorgesteuert immer besser für eine optimale Wohnraumbelüftung sorgen. Aber auch die heutigen Anlagen besitzen bereits eine Ausgereiftheit, die viele Besitzer solcher Anlagen sagen lassen: "Nie wieder ohne!"
Beispiel einer zentralen Wohnraumbelüftung mit Zu- und Ablufträumen
Montage einer dezentralen Lüftungsanlage